Allgemeine Fragen

 

1. Wieso schreibst du deine Romane im Präsens und nicht im Präteritum?

 

Als ich meinen Debütroman veröffentlichen wollte, war das auch die erste Frage meiner Verlegerin. Ehrlich gesagt habe ich dafür keine "rationale" Antwort. Es fühlte sich einfach richtig an und war - zumindest anfangs - keine bewusste Entscheidung. Allerdings schätze ich mittlerweile die Nähe, die es beim Leser erzeugt. Für mich wirken Texte im Präsens lebendiger und direkter, sodass man als Leser meint, mitten in der Handlung zu stehen. Man ist Teil der Geschichte, statt sie nur erzählt zu bekommen. Gerade bei emotionalen Szenen wird dadurch ein viel intimeres Lesegefühl erzeugt.

 

 

2. Wie kamst du zum Schreiben? Was ist dein Ziel?

 

Schon als Kind habe ich mir gerne Geschichten ausgedacht und so habe ich mit 16 Jahren mit dem Schreiben begonnen, allerdings zunächst nur Gedichte und Kurzgeschichten. Mit der Zeit wurde es immer wichtiger für mich, denn das Schreiben ist mein Kreativitätsventil und lässt mir meine eigenen Gedanken klarer werden. Diese Leidenschaft ist so stark gewachsen, dass die Schriftstellerei mittlerweile meinen Lebenstraum darstellt. Es gibt nichts, was ich lieber machen möchte. Dabei ist mein Ziel mitreißende und emotionale Geschichten zu erzählen, die aber trotzdem zum kritischen Nachdenken anregen.

Für mich sollte ein Autor die Phänomene der Welt, die viele erleben, in einer fiktiven Geschichte bündeln und auf das Wesentliche reduzieren können, sodass sie artikulierbar werden. Er sollte Mittler sein zwischen dem, was man weiß und dem, was man "noch nicht wirklich weiß", aber bereits als Gefühl in einem schwebt. Er sollte das Unbekannte mit dem Bekannten verbinden, indem er ein schwaches Licht in den dunklen Wald wirft, der unsere Wahrnehmung umgibt. Wenn ich also nur einem Menschen, mit meinen sicherlich noch unausgereiften Gedanken, helfen kann, sich selbst oder die Welt etwas besser zu verstehen, habe ich mein Ziel bereits erreicht.

 

 

 

Fragen zu "Schatten ohne Licht":

 

1. Wieso spielt dein Debütroman in Korea? 

 

In erster Linie haben mich die vielen Parallelen, aber auch Unterschiede zu Deutschland fasziniert: Beide Länder wurden nach dem 2. Weltkrieg in ein sozialistisches und kapitalistisches Land geteilt. Sowohl Deutschland als auch Südkorea sind in ihrer Region für eine regide Arbeitsmoral bekannt. Auf der anderen Seite konnte Deutschland eine unblutige Wiederveinigung erreichen, während es in Korea den Korea-Krieg gab und die Teilung bis heute fortbesteht.

Später war es vor allem der tiefsitzende Dualismus Koreas, der mich zum Schreiben motivierte: Eben, dass wir in Nordkorea das diktatorische, sozialstische Extrem vorfinden, in dem das einzelne Leben nichts zählt, gefoltert und getötet wird und ein surrealer Führerkult herrscht. Gleichzeitig stellt Südkorea aber das oberflächliche, kapitalistische Extrem dar. Hier gehen selbst Grundschulkinder am Leistungswahn zu Grunde und Menschen, die nicht dem Schönheitsideal entsprechen, werden wie Tiere  im TV vorgeführt, um sie im Anschluss einer Schönheitsoperation zu unterziehen.("Let me in") Dieser Dualismus der beiden Systeme schockierte und faszinierte mich dermaßen, dass ich gar nicht anders konnte, als die Geschichte meines Debütromans nach Korea zu versetzen.

 

 

 

2. Warst du in Nordkorea? Was sind deine Quellen?

 

Während meines mehrwöchigen Aufenthalts in Südkorea bot sich mir die Möglichkeit, neben meinen normalen Recherchen vor Ort, mit einem Nordkoreaflüchtling zu sprechen, der sich damals zwei Jahren zuvor aus dem Norden abgesetzt hatte. Er konnte mir sehr emotionale Einblicke in seine Flucht und sein Leben bieten. Sicherlich diente er mir als Hauptquelle für meinen Roman. Zudem konnte ich vor Ort mit einem alten Koreakriegsveteranen sprechen, der für den Norden kämpfte und später desertierte, was meinen Blick für die Anfänge des Konflikts schärfte. Zusätzlich zu zahlreichen Büchern, Dokumentationen und Erfahrungsberichten, die ich in den Jahren wie ein Schwamm aufnahm, besuchte ich Vorträge von Amnesty International oder diversen Hungerhilfe-Organisationen, wo ich Menschen traf, die in den 90ern - während der großen Hungerkatastrophe - in Nordkorea lebten und arbeiten. Nordkorea direkt zu bereisen ließ ich nach langer Überlegung jedoch sein, weil ich zum einen diesen Staat nicht mit Devisen für sein Atomprogramm oder dem verbleibenen Handel mit China unterstützen will (deshalb erlaubt Nordkorea Tourismus), es sicherheitspolitisch immer bedenklich ist (Otto Warmbier) und vor allem weil es mir als Autor für meine Geschichte nicht viel gebracht hätte. Denn vor Ort, in Pjöngang, der schönsten und reichsten Stadt Nordkoreas, mit der das Regime seine Getreuen belohnt, bekommt man nur ein Zerrbild der Wirklichkeit präsentiert. Es erwartet einen eine riesige Show, wie im Dokumentarfilm "Im Strahl der Sonne" gut zu sehen ist. Da mein Roman nicht einmal in Pjöngjang spielt und man ständig von Aufpassern begleitet wird, hätte ich die entscheidenen Orte niemals sehen und die Bevölkerung niemals sprechen können. Jeder ist entweder ein angeheuerter Schauspieler, der ein gutes Leben in Nordkorea sugerrieren soll oder in Furcht frei zu reden, weil die Aufpasser immer dabei sind. Trotzdem kann ich behaupten, dass meine Geschichte sehr realistisch ist, denn ich kenne die Landschaft, die Kultur, die Strukturen, das Regime etc. und auf meinen Lesungen konnte ich bereits mit zahlreichen Menschen sprechen, die entweder Nordkorea bereisten oder in Südkorea lebten und meine Eindrücke allesamt bestätigten. Die Geschichte basiert also auf Fakten oder ist zumindest plausibel. Plausibel, einfach weil manche Dinge nicht endgültig bestätigt werden können, wie etwa die Situation in den Arbeitslagern. Dort gibt es nur die Berichte entkommener Gefangener, die natürlich lügen könnten... aber das sind eben die Quellen, mit denen man als Autor arbeiten muss. Letztlich bleibt es ja ein Roman, der vor allem eine Botschaft übermitteln und mitreißen soll, auch wenn vielleicht ein kleines Sachbuch drin versteckt ist! :)

 

 

 

 

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© Marcus Stephan Theis